











Energie & Natur
Vogelsberggarten Ulrichstein: Mit Biodiversität gegen den Artenschwund
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- Kategorie: Energie & Natur
- Zuletzt aktualisiert: Freitag, 17. März 2017 08:59
- Geschrieben von Brigitta Möllermann
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Burgruine in Ulrichstein mit sommerlichem Kräutergarten im Vordergrund (c) Brigitta Möllermann
Im Vogelsberggarten auf dem Schlossberg in Ulrichstein blickt man auf ein erfolgreiches Jahr 2016 zurück. Dort auf rund 600 Höhenmetern, wo man sich gegen die Problematik des Artenverlustes stemmt durch die Anlage von floristisch wertvollen Wildblumenbeeten, beweidetem Grünland, alten Obstbaumbeständen sowie einem extensiv bewirtschafteten Schutzacker, werden immer mehr Besucher gezählt. Das Interesse an dem sechs Hektar großen, Gelände wächst stetig.
Während des vergangenen Sommers lud Richard Golle, der Geschäftsführer des Gartens, zu drei geführten Besichtigungsrundgängen und einigen Helferaktionen ein. Dabei konnte er nicht nur Begeisterung bei den Teilnehmern wecken, sondern auch fünf neue Paten und Patinnen gewinnen, die unter anderem die regelmäßige Pflege des Bauern- und Kräutergartens übernommen haben. Sie unterstützen außerdem die Arbeiten bei verschiedenen Projekten.

Interessierte Besucher beim Rundgang mit Richard Golle (c) Brigitta Möllermann
Auch 2017 werden erneut öffentliche Führungen angeboten, und zwar immer am Samstag um 14:30 Uhr: Am 27. Mai, 1. Juli und 19. August 2017.
Vom Unkraut zum geschützten Ackerwildkraut
Rote Mohnblumen, blaue Kornblumen, weiße Kamille und andere blühende Pflanzen waren bis in die 1960er Jahre in jedem Getreidefeld zu finden. Aufgrund des Einsatzes von so genannten Pflanzenschutzmitteln und durch zu intensive Düngung in der Landwirtschaft ist diese bunte Vielfalt jedoch bis heute fast verschwunden. Viele der 150 deutschen Ackerkräuter oder auch Heilkräuter sind in Deutschland in ihrem Bestand bedroht. Dabei sorgen Adonisröschen, Lämmersalat und Sandmohn für einen Lebensraum, in dem Bienen, Schmetterlinge sowie viele andere Insekten gedeihen, nicht nur Pflanzen bestäuben sondern auch den heimischen Vögeln Nahrung bieten.
Hilfreich in dieser Angelegenheit waren bislang blühende Ackerrandstreifen und brachliegende Flächen. Ebenso dient seit einiger Zeit ein Netz von Schutzäckern, auf denen Pflanzenbau ohne Herbizide praktiziert wird, der Wiederausbreitung der Arten. Zu den "100 Äckern für die Vielfalt" gehört auch der 1.300 Quadratmeter große Bauernacker des Vogelsberggartens, wo sich die Stadt Ulrichstein, der Naturpark Vulkanregion Vogelsberg und der Verein der Freunde und Förderer des Vogelsberggartens gemeinsam um den Erhalt von Roggen-Trespe, Ackerlöwenmaul & Co. bemühen.

Wildkräuter im Flachsacker des Vogelsberggartens (c) Brigitta Möllermann
Hort der Biodiversität mit Besonderheiten der heimischen Pflanzenwelt
Im Rahmen der Biodiversitätsstrategie des Landes Hessen soll im Vogelsberggarten die typische Flora der Vogelsberger Kulturlandschaft für die Nachwelt erhalten werden. Zu diesem Zweck wurde 2016 im späten Frühjahr auf dem Acker Flachs per Hand ausgesät, der als Habitat für langsam wachsende und selten gewordene Ackerkräuter gedacht ist.
Flachs war früher in der Landwirtschaft des Mittelgebirges eine Alternative zum Getreide. Er wurde nach der Ernte gesponnen, gewebt und zur Herstellung von Kleidung und Wäsche benötigt. Heutzutage gilt er als wertvolle ökologische Naturfaser.
Was im Sommer auf dem Schlossberg blau blühte, reifte mit gelben Samenkapseln heran. Im August wurden die trocken gewordenen Stängel an zwei nostalgisch ausgerichteten Erntetagen von Helfern und Helferinnen samt Wurzeln ausgerupft, damit die die Fasern erhalten bleiben. Anschließend wurde die Ernte gebündelt und in Garben zum Trocknen aufgestellt.

Flachsernte im August: Viele Helfer kamen zu dem historischen Erntetag (c) Brigitta Möllermann
Einige der Bündel wurden aufbewahrt für die Vorführung "Vom Flachs zum Leinen" beim Adventsmarkt im Ulrichsteiner Museum im Vorwerk. Die Flachsstrohbündel "kämmte" man mit einer Riffel, um die Samenkapseln abzutrennen. Entweder können die Körner als Saatgut verwendet werden oder auch zu hochwertigem Öl gepresst werden. Vor Publikum wurden dann die Stängel mit historischem Werkzeug gebrochen, daraus die hölzernen Anteile entfernt und die Fasern herausgelöst, um diese danach zu Fäden zu spinnen.
Genreserve für Habichtskraut, Wiesenblumen und Magerrasenpflanzen
Besonders stolz sind die Stadt, der Naturpark, der Förderverein und der Geschäftsführer des Vogelsberggartens darauf, dass das ganze Gelände am Ulrichsteiner Schlossberg zum Refugium der Artenvielfalt ernannt wurde. In einem finanziell geförderten Projekt werden in den nächsten fünf Jahren nicht nur stark gefährdete Ackerkräuter kultiviert, sondern auch seltene Pflanzen vermehrt, wie beispielsweise Arnika, Knabenkraut, Löffelkraut, Prachtnelke, Teufelskralle, Trollblumen, Türkenbundlilien und Zittergras.
Von 2016 an wurden jeweils 8.000 Euro Fördermittel pro Jahr im Rahmen der hessischen Biodiversitätsstrategie des Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) bewilligt. Die Zuschüsse werden in Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises verwendet, um u. a. Hochbeete für geschützte Gräser, Kräuter und Blumen zu bauen. Hinzu kommt eine sechs mal acht Meter große Baumschule für seltene Baumarten. Die Pflanzenzöglinge von Wildbirne, Pflaume und Haferschlehe etc. werden erstmalig 2017 gesetzt. Auch ein Feuchtbiotop für Sumpfmauerpfeffer und weitere Pflanzen mit besonderen Ansprüchen soll noch angelegt werden.

Beim Adventmarkt im Museum wurde die Flachsbearbeitung öffentlich demonstriert (c) Museum im Vorwerk
Ernst Happel, der ehemalige Chef des Naturparks, der als "Vater" des Vogelsberggartens in Ulrichstein gilt, ist immer noch als Berater und Unterstützer mit im Boot. Unter anderem begeistert er sich persönlich dafür, besondere Pflanzen aus regionalen Samen heranzuziehen, die dann nach und nach einen passenden Platz auf dem Schlossberg-Gelände finden.
Über den Vogelsberggarten
In Hessens höchst gelegenem Städtchen Ulrichstein befindet sich auf dem Schlossberg auf 614 m eine frei zugängliche Burgruine aus dem 12. Jahrhundert, von der noch Gräben und Wälle erhalten sind. Vom Wehrturm herunter, der als Aussichtsturm rekonstruiert ist, hat man eine herrliche Weitsicht. Drumherum wurde im Jahr 2000 ein sechs Hektar großer Vogelsberggarten mit Spazierwegen angelegt. Neben der charakteristischen Vegetation wird im Vogelsberggarten unter anderem die Entstehung und Entwicklung der Kulturlandschaft präsentiert. Der Zutritt ist das ganze Jahr über frei.
Viele Dokumentationstafeln erklären die Geschichte des Ackerbaus und der im Vogelsberg typischen Waldweiden. Dazu sieht man Hecken und Lesesteinhaufen neben Schaf- und Kuhweiden sowie einen Bauerngarten mit alten Nutz- und Zierpflanzen. Der gepflegte Heilkräutergarten und der bäuerlich bewirtschaftete Acker sowie die Wiesen mit ihrem altem Obstbaumbestand zeigen inzwischen rar gewordene botanische Besonderheiten. Dort mitzumachen ist weiterhin erwünscht - gerne als Mitglied im Förderverein oder auch als tätiger Pate.
Informationen und Kontakt: Richard Golle, Lautertal-Hörgenau, Telefon mobil: 0170/7245241 - Internet: www.vogelsberggarten.de
Quelle: Brigitta Möllermann
Das Jahr 2016 im Vogelsberggarten
Heilkräuter, Bauerngarten, Waldweide und Bergwiese
Frühjahr
Den Start machten zu Beginn Saisonarbeiten im Gelände, wobei alte Weidezäune und Strauchwerk beseitigt werden mussten. Dabei unterstützten Flüchtlinge aus Ulrichstein Richard Golle.
Die Grundschulkinder der Schlossbergschule setzten im Rahmen ihres Umweltbildungsunterrichtes wie in jedem Jahr Kartoffelknollen und einen Streifen Kürbispflanzen. In diesen praktischen Unterrichtsstunden für die erste und zweite Grundschulklasse aus Ulrichstein gibt Richard Golle entsprechende Anleitungen. Auch beim Ernten im Herbst mit dem Bauern bekommen die Kinder Erläuterungen auf dem Feld.
Sommer
Nachdem der Bauerngarten im Frühjahr angelegt worden war, bedurfte er in den Monaten des Wachstums der weiteren Pflege. In den Themenbeeten mussten Pflanzen ausgedünnt und zurückgeschnitten werden. Im Bauerngarten wurde nachgepflanzt an den frei geernteten Stellen. Immer wieder wurden die Flanierwege auf dem Schlossberg freigeharkt. Und die Wiesen, die nicht beweidet wurden, wurden nach der Aussamung von Gräsern, Kräutern und Blumen gemäht.
Herbst

Kartoffelernte im September mit Kindern der Schlossbergschule (c) Schlossbergschule
Da die Kartoffel, eins der Grundnahrungsmittel für Menschen und Futter für Tiere, nur noch selten im Vogelsberg angebaut wird, hat man gleich bei der Gründung des Vogelsberggartens einen Kartoffelacker als Anschauungsobjekt und zur Live-Demonstration angelegt. Der momentane Pate des Ackers, Landwirt Timo Stein, bearbeitet die Fläche extensiv und in der Regel mit seinen Pferden. Bei der Kartoffelernte im September helfen voller Elan immer die Schulkinder, deren Eltern und Freunde mit.
Alle Vorhaben sind 2016 wie geplant umgesetzt worden. Rechtzeitig zum Erntedankfest im Oktober war der Schutzunterstand für Besucher fertig gestellt.
Mitte Oktober wurde die Öffentlichkeit zum Erntedankfest auf den Schlossberg eingeladen. Mit einer Andacht, die Pfarrer Manfred Hofmann hielt, sowie einem Jahresrückblick über die Arbeiten im Vogelsberggarten begann der Nachmittag. Danach wurde ein Imbiss auf Spendenbasis angeboten und Sandra Bauer erzählte ein paar stimmungsvolle Herbstmärchen. Am Ende unternahm Richard Golle mit interessierten Besuchern noch einen Spaziergang über das Gartengelände.

Stimmungsvoller Saisonabschluss: Erntedankfest mit Märchenerzählerin Sanda Bauer (c) Brigitta Möllermann
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Anschub für die Bekanntheit des Kleinodes leistete die regelmäßige Pressearbeit für den Garten. Bilder und Artikel wurden von den fast allen Medien gerne veröffentlicht. Neu hinzugekommen in diesem Bereich ist ein Newsletter für Gartenfans und Helfer, mit dem Nachrichten und Einladungen versendet werden.
Quelle: Brigitta Möllermann
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